Huskytour im hohen Norden 

        von 

                                                 Uwe Schmidt 

                                    -es muss ja nicht gleich Alaska sein-

 

Ein lange gehegter Traum sollte in Erfüllung gehen: Im Winter nach Norwegen fahren, um mit einem Hundeschlitten unterwegs zu sein. 

Was treibt Euch in diese Kälte? Wie kommt Ihr darauf in eine solch einsame Gegend zu fahren? 

Da ist doch nichts los! 

Diese und ähnliche Reaktionen erhielten wir von Freunden und Bekannten, denen wir von unserem Vorhaben berichteten. Doch um es gleich vorweg zu schicken, eine Huskytour ist kein Extremsport und von jedem der einigermaßen sportlich ist zu meistern.

 

Ein dunkler Punkt war die Abreise: 4 Uhr Abfahrt von Berlin – eine grausame Zeit, aber die Vorfreude auf ein tolles Erlebnis läßt uns auch dieses (fast) vergessen. 

Die Fahrt nach Rostock verläuft ohne Probleme. Wir sind viel zu zeitig da. Also heißt es noch 1 Stunde im kalten Auto auf die Zufahrt zur Fähre warten. Endlich ist es soweit. Wir werden von einem Stahlkoloß geschluckt, der uns nach ca. 5h Fahrt in Trelleborg wieder ausspucken soll.

  

Die Fährfahrt ist schon recht interessant. Es sind kaum Urlauber unterwegs, dafür aber viele LKW´s samt Fahrer. Also eine umfangreiche Sammlung uriger Typen verschiedener Nationalitäten, die 

viel Material für gezielte Beobachtungen bieten. 

Nach einer durchaus nicht langweiligen und magenschonenden (weil fast windstillen) Fahrt erreichen wir wohlbehalten Trelleborg. Nun liegen noch so einige Kilometer in Richtung Norden vor uns. Auf halber Strecke können wir bei Freunden eine Verschnaufpause einlegen und uns 

einen Tag lang der phantastischen Küste Schwedens widmen.

 

Diese besteht hier vornehmlich aus einer ausgeprägten Schärenlandschaft mit vielen vorgelagerten Inseln. Der Sonnenuntergang, den wir von einem Berg blickend erleben lässt uns alle Sorgen vergessen. Die Insellandschaft wird von einem sanft rosa leuchtenden Schleier überflutet. 

Es erscheint fast unwirklich schön. Kurz vor dem Abtauchen bricht die Sonne noch einmal hervor, 

fast brutal, wie das letzte Zucken eines sterbenden Tieres. Dann senkt sich die Stille der Nacht 

über die außergewöhnliche Szenerie.

 

Nach dieser kleinen Pause geht es weiter in Richtung Oslo. An der Grenze zu Norwegen werden wir nach Alkohol befragt. Den haben wir natürlich nicht – wozu auch. Wir wissen ja kaum was das ist. 

Bis hierher haben wir noch keinen Schnee gesehen. Irgendwie haben wir uns den Winter in Norwegen ganz anders vorgestellt. Aber noch sind es ca. 300 km bis an unser Ziel. 

Oslo macht einen leicht chaotisch organisierten Eindruck. Über die Stadt sind geschickt einige Mauthäuschen verstreut. Eine nette Dame, die gerade so in ein solches paßt hilft uns freundlich weiter. Endlich haben wir die Museumsinsel gefunden. 

Hier steht die „Fram“, das Schiff auf dem Roald Amundsen 4 Jahre im Eis verbrachte. Um dieses auf dem Land stehende Boot wurde einfach ein Haus gebaut und fertig war das Museum. 

Im Gebäude gegenüber stehen noch weitere Kostbarkeiten. Wir haben hier die „Kon-Tiki“ und die „Ra-2“ von Thor Heyerdal besichtigt. 

Beide Museen sind eindrucksvoll gestaltet und lohnen auf jeden Fall einen Besuch. Vom Ufer der Bucht bietet sich uns ein phantastischer Blick über die Stadt. Auch stapeln sich hier die ersten Schneeflocken zu einer immerhin 2 cm dicken Schneedecke. Die Luft ist eher unangenehm feucht-kalt. 

Als die Sonne sich schon bedenklich dem Horizont nähert verlassen wir Oslo. Wir haben noch ca. 150 km in Richtung Norden vor uns. Das Thermometer zeigt –2 °C – naja wenigstens etwas. 

Auf der Straße scheinen sich alle Autos Norwegens versammelt zu haben. Es geht recht zähflüssig voran, so daß wir auf kleinere Straßen ausweichen. Die Landschaft wirkt nun schon recht winterlich 

und die Temperatur ist auf –8 °C gefallen. Von hier ab starren wir wie gebannt auf das Thermometer. Es wird gradweise immer kälter. Als wir in der Nähe unseres Zielortes sind drohen von draußen –22 °C.

 

Da fällt uns plötzlich ein, daß wir uns besser noch einmal vorher bei unserem Vermieter hätten melden sollen. Das wollen wir jetzt nachholen, aber es ist niemand zu erreichen. Die Aussicht die Nacht im Auto verbringen zu müssen und am nächsten Morgen als Feinfrostpaket aufzuwachen erscheint uns nicht sehr vielversprechend. Also fahren wir erstmal in unseren Zielort nach Ljoerdalen und können nun jemanden erreichen. Tatsächlich – wir sind vergessen worden. Aber nach 15 min. erscheint Schneewolken aufwirbeln ein Pickup mit 2 Leuten, wovon der Eine Bettwäsche auf den Knien hält. „Die wird hoffentlich für uns sein“ denken wir – und richtig. Unser Quartier ist eine gemütliche, elektrisch beheizte, Hütte mit insgesamt 8 Schlafgelegenheiten. Wir teilen sie für 1 Nacht mit 2 Anderen, dann gehört sie uns allein. Es fällt uns gar nicht schwer den Eindruck einer voll belegten Hütte entstehen zu lassen.

 

Die beiden Guides, Frank und Fabian, machen einen netten Eindruck und wir sind schon ganz gespannt auf die erste Begegnung mit den Hunden. 

Nun haben wir einen Tag zum akklimatisieren, den wir für die erste Erkundung der Gegend nutzen. 

Es liegt ca. 1m Schnee und es gibt einige Skipisten und Loipen, aber die Zahl der Urlauber hält sich in Grenzen.

 

Dann ist es endlich soweit. Wir werden den ca. 60 Hunden vorgestellt, die ihrerseits gleich ein „tierisches“ Gebell anstimmen. Die anfängliche Skepsis, wie wir den Hunden begegnen sollen – ob sie evtl. gefährlich sind – weicht wahrer Begeisterung. Allesamt sind nette Kerle. Nun stellt sich uns die Frage: Wie sollen wir die bloß auseinanderhalten? 

Aber zum Nachdenken kommen wir nicht. Schon werden uns die Schlitten erklärt: Hier ist vorn, dort ist hinten, hier gut festhalten, da ist die Bremse – alles klar? Dann kann`s ja losgehen. 

Ehe wir uns versehen sind wir schon mitten dabei die Hunde anzuspannen. 

Im ersten Moment ist es schwierig zu durchschauen welche Pfote durch welche Schlaufe des Geschirrs gesteckt werden muß. Aber die Hunde wissen bereits bestens Bescheid – eben richtige Profis. Wir müssen sie uns nur zwischen die Beine klemmen und schon strecken sie uns schon die richtige Pfote entgegen. Während der ganzen Prozedur herrscht eine riesige Aufregung unter den Hunden, jeder möchte mit. Es geht aber alles strikt nach Plan, da jeder Hund weder zu wenig, noch zuviel laufen darf. Endlich sind alle Hunde angespannt. Wir fahren jeder mit 5 Hunden, also 5 HS. Noch sind die Schlitten mit dem Eisanker und einem Seil zum Zaun gesichert, damit die Hunde nicht ohne uns auf  Tour gehen. Nun nehmen wir unseren Stehplatz auf dem Schlitten ein.. Vorn zerren die Hunde und ärgern sich über den lahmen Menschen, der einfach nicht aus dem Knick kommt.

 

Jetzt schnell den Eisanker `raus, die Leine gelöst und ab geht`s. Pfeilschnell rast der Schlitten los, trotzdem wir mit unserem gesamten Gewicht auf der Bremse stehen. Es heißt jetzt erstmal festhalten. Nach 400m können wir es wagen die Bremse etwas zu lockern. Die Hunde laufen sich langsam ein und das Tempo wird gleichmäßiger. An besonders steilen Stellen müssen wir die Hunde durch schieben unterstützen. Kaum geht`s bergab heißt es schnell aufspringen und bremsen; in den Kurve dann Bremse weg und Innenkurve belasten, damit der Schlitten nicht geradewegs auf einen Baum zurast. Als wir einen Pause machen bin ich schweißgebadet und frage mich wer hier die schwerste Arbeit verrichtet. Dann ist bald die erste Runde geschafft und stolz spannen wir aus.  

Die Hunde sind auch zufrieden und genießen blinzelnd die Sonne.

 

An den nächsten beiden Tagen werden die Touren immer länger und wir haben auch etwas Muße die phantastische Winterlandschaft zu bewundern. 

Unsere Gespanne bestehen jetzt aus jeweils 6 Hunden. So langsam können wir auch die Hunde unterscheiden. Es sind fast ausschließlich Mischlinge der großen Rassen Alaskanische Malmuten, 

Sibirien Huskies und Grönlandhunde. Teilweise sehen sie auch recht unterschiedlich aus. Manche weiß, manche dunkel, einige kräftig, andere schlank. Rotor z.B. ist ein großer, kräftiger Halbstarker mir einem roten und einem braunen Auge, während Tonja eine zierliche, braunäugige etwas verträumte Leithündin ist. Unsere „eigenen“ Hunde kennen wir, zumindest von hinten, schon recht gut. 

Die wohlverdiente Verpflegung der Hunde fällt besser aus als unsere eigene. Sie bekommen gefrorenen Lachs, den sie begeistert knabbern.

 

Ab dem 4. Tag soll es für 3 Tage auf große Tour gehen. Wir werden 2 Nächte in einer Berghütte übernachten, fernab von der Zivilisation. Bei der Zusammenstellung des Gepäckes finden sich nur wenige Sachen, die wir nicht brauchen. Recht ordentlich bepackt geht`s am nächsten Morgen los. Die armen Hunde – naja, wir helfen ja mit. Sobald alles verstaut ist wird zum Abmarsch geblasen.

 

Nun ist das Schlittenfahren schon recht entspannend. Wir wissen wie wir anhalten können und haben keine Angst mehr vor den Kurven. Bei der Hochfahrt auf das Fjell kommen wir ganz schön ins schwitzen. Solidarisch zu den Hunden hängt uns auch die Zunge aus dem Hals. Aber endlich ist es geschafft und wir werden mit einem phantastischen Ausblick belohnt.

 

Strahlender Sonnenschein, glitzernder Schnee und ein Schluck Tee aus der Thermoskanne – was wollen wir mehr? 

Nach der Überquerung des Passes und einer Hochebene erreichen wir nach nunmehr 4 Stunden unser Ziel. Zwischen den verschneiten Bäumen taucht unvermittelt eine Blockhütte auf. Diese wird unser Quartier für die nächsten 2 Nächte sein.  Erstmal heißt es aber die Hunde zu versorgen. Sie werden der Reihe nach an einer langen Kette, die zwischen die Bäume gespannt ist, befestigt. 

 Ihr Nachtlager werden einige mitgebrachte Fasern Stroh und jede Menge Schnee sein.

 

Im Innern der Hütte knistert schon der kleine Allesbrenner. Unsere Befürchtung zu frieren verdunstet in kürzester Zeit. Nach 1 Stunde ist es in der Hütte nur noch mit einem T-Shirt auszuhalten. Es gibt Gaslampen und 100 m vom Haus entfernt ist eine kleine eisfreie Quelle. 

In der Dämmerung werfen die Hunde ihre Köpfe in den Nacken und stimmen ein phantastisches Geheul an. Gegen dieses Konzert in dieser Kulisse sind die Backstreet Boys einfach eiskalter Kaffee.

 

Der nächste Morgen sorgt für eine Überraschung. Es hat geschneit und schneit immer noch. Von den Hunden sind nur noch kleine Weiße Hügel mit Ohren zu sehen. Zum Glück beruhigt sich das Wetter wieder etwas und wir starten zu einer kleinen Tour.

 

Wir versuchen uns unseren Weg durch den frischen Schnee zu bahnen. Jetzt brauchen wir einen guten Leithund. Doch den haben wir. Seine Majestät „Buck“ scheint unfehlbar zu sein. Zielsicher folgt er unserer unter dem Schnee verborgenen Spur. Es ist ein völlig neues Fahrgefühl auf dieser weichen Unterlage. Jeder zu forsche Tritt auf die Bremse schleudert uns eine Schneefontäne in`s Gesicht. Wohlbehalten gelangen wir wieder zu unserer Hütte zurück. 

Den Abend lassen wir mit einem selbsterfundenen Getränk aus Rum und Blaubeersirup ausklingen.

  

Anderentags heißt es schon wieder aufbrechen. Bis wir alles verladen haben ist die Aufregung unter den Hunden groß. Doch wie könnten wir sie vergessen? 

Es beginnt eine Fahrt wie sie schöner nicht sein könnte. Wir fahren über weitläufige unberührte Schneeflächen bei strahlendem Sonnenschein. Die Eiskristalle in den Tannen glitzern und ein Schneehuhn sucht flatternd das Weite. Die vor 2 Tagen so schweißtreibende Auffahrt zum Paß wandelt sich zu rasanten Rallyestrecke. Sollten wir etwa schon so schnell wieder zurück sein?

 

Ja, leider. Es ist schon das Begrüßungsgebell der daheimgebliebenen Hunde zu hören.

 

Ein letztes „Tonja stay!“ schallt durch das Tal und damit geht ein phantastisches Erlebnis zu Ende.

 

Uwe Schmidt

 

 Tour vom 15.02.2000 bis 1.03.2000